Was ist neurozentriertes Personal Training?

Die so selbstverständlich erscheinende Bewegung ist nur deshalb möglich, weil viele Strukturen des Körpers dafür zusammenarbeiten. So einfach Bewegungen auch erscheinen, stellt sich aber immer wieder die Frage, wie sie eigentlich zustande kommen.

Zur Beantwortung dieser Frage führt kein Weg am Nervensystem mit dem Gehirn vorbei. Das Gehirn ist nicht nur eine durchschnittlich 1,4 kg schwere Masse mit etwa 100 Milliarden Nervenzellen, die unseren menschlichen Schädel ausfüllen, sondern es ist auch unsere Kommunikationszentrale. Grundbausteine des Nervensystems sind die Nervenzellen oder Neurone. Sie sind darauf spezialisiert Informationen zu empfangen, zu verarbeiten und/oder an andere Zellen weiterzuleiten. Die Funktionsweise des Nervensystems beruht auf ebendieser Eigenschaft der Nervenzellen. Während eine Nervenzelle am einen Ende Signale übermittelt, erhält sie am anderen Ende Informationen.

Der Zellkörper leitet Informationen zu seinem Hauptfortsatz, dem Axon, welches die Signale bis zu seinem Endköpfchen überträgt, von dem sie an eine andere Nerven- oder Muskelzelle übermittelt werden. Sog. Dendriten der empfangenden Nervenzelle nehmen die Informationen auf und leiten sie an den Zellkörper weiter. Dadurch kommt es zu einem Informationsaustausch. Diese Kommunikation der Nervenzellen bildet die Grundlage für Bewegung – ohne sie gibt es keine Bewegung. M. a. W.: Nervensysteme sind die Voraussetzung für aktive Bewegung.

Wenn das Nervensystem für Bewegung unabdingbar ist, warum findet es bislang aber so wenig Beachtung wenn es darum geht, Bewegungen zu verbessern oder Bewegungseinschränkungen zu beheben? Genau an dieser Stelle setzt der neurozentrierte Ansatz an. Er berücksichtigt die Arbeitsweise des Nervensystems. Das Nervensystem entwickelte sich um Bewegungen zu koordinieren. Eine effiziente (Fort-)Bewegung ist nur möglich, wenn Bewegungen aufeinander abgestimmt erfolgen. Dies wird dadurch erreicht, dass Nervenzellen Muskelkontraktionen, d. h. die Anspannung von Muskelgewebe, koordinieren. Dazu steuern Motoneurone (ausführende Nervenzellen) Muskeln und das Nervensystem legt die Reihenfolge und Häufigkeit der Muskelkontraktion fest.

Stellen Sie sich zur Verdeutlichung ein Ruderboot vor: Es ist nicht ausreichend alle Ruder im Wasser zu haben, sie müssen auch gleichzeitig bewegt werden, um gut und zielorientiert in Bewegung zu kommen. Für eine koordinierte und effiziente Bewegung – und damit optimale (Fort-)Bewegung – sorgt der Steuermann: das Nervensystem.

Führt man sich vor Augen, wie es der Mensch geschafft hat, in einer einst überlebensfeindlichen Welt dennoch zu überleben, wird eine Grundfunktion des Gehirns deutlich: Die Sicherung des Überlebens. Das Gehirn will in jeder Situation vor allem eins, sicher sein. Bezogen auf Situationen in Sport oder Alltag bedeutet das: Wird eine Situation oder Handlung durch das Gehirn als nicht sicher eingestuft, wird als Konsequenz die Bewegung bzw. der Bewegungsumfang eingeschränkt.

Für eine eindeutige Vorhersage wie sicher oder unsicher eine Situation oder Handlung ist, benötigt das Gehirn genaue und eindeutige Informationen. Diese Informationen liefern die bewegungssteuernden Systeme. Besonders viele Informationen liefert das visuelle System (Sehen). Das direkt mit der Streckmuskulatur kommunizierende Gleichgewichtssystem folgt hierarchisch vor dem propriozeptiven System, das die Eigenwahrnehmung der Bewegung beschreibt. Die Qualität dieses Informationsaustausches entscheidet letztendlich über die Qualität der Bewegung. Durch eine Verbesserung des Informationsaustausches zwischen Körper und Gehirn durch neurozentriertes Training können Bewegungsresultate verbessert werden, was nicht nur die sportliche Leistungsfähigkeit erhöht, sondern auch für den Alltag und die Linderung von Beschwerden hilfreich ist.